Christoph Stemann unterstützt als Nachtbeauftragter der Stadt Dortmund seit August 2021 die Dortmunder Club- und Veranstaltungsszene. Bevor Stemann Angestellter der Stadt wurde, hatte er sich als DJ Firestarter und mit seiner Promotion-Firma in der Szene einen Namen gemacht. Als Nachtbeauftragter sieht er sich in erster Linie als Mittler zwischen den Interessen der Clubszene, der Anwohner*innen und der Stadtverwaltung. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie soll er vernetzen, beraten, Bedarfe analysieren, dazu passende Maßnahmen entwickeln und Impulse setzen. Mit „aufbruch city“ blickt er im Interview auf die aktuellen Entwicklungen.
Wie geht es den Betreiber*innen derzeit nach den Einschränkungen der Corona-Pandemie?
Besonders für Clubbetreiber*innen, Veranstalter*innen, Kollektive und Künstler*innen ist vieles anders. Erfahrungswerte von vor der Pandemie sind nicht mehr verlässlich, das Ausgehverhalten hat sich verändert. Zwar fehlt es nicht an Gästen, aber massiv an Personal. In Dortmund sind dadurch vor allem größere Clubs mit hohem Personalaufwand hart getroffen. Einige Clubs können daher seit dem Neustart im März nur 50 Prozent der Gäste einlassen. Doch es gibt auch einen positiven „Spirit“ zwischen den Clubs – aus den schwierigen Zeiten ist eine neue Solidarität miteinander entstanden. Allerdings: Wenn im Herbst wieder die Maskenpflicht zurückkommt oder andere Einschränkungen greifen, wird es vor allem für die Clubs wieder einen Dämpfer geben. Ich hoffe, dazu kommt es nicht.
Die Stadt tut schon viel für die Dortmunder Gastronomie: Wettbewerbe für innovative Konzepte, Verzicht auf Gebühren für Außengastronomie und großzügige Regeln für die Gestaltung der Außenplätze. Was brauchen und bekommen die Clubs?
Die Vergnügungssteuer wurde für die Clubbetreiber*innen für die kommenden Jahre ausgesetzt und wir erproben gerade die Abschaffung der Sperrstunde. Zudem beraten wir aktuell in Arbeitskreisen zwischen Verwaltung, Politik und Betreiber*innen, wie man Clubs anders einordnen kann, denn die Clubs sind ja Kulturstätten. Momentan gelten sie als Vergnügungsstätten – auf einer Stufe mit Bordellen und Spielkasinos.
Inwiefern hat sich denn das Ausgehverhalten der Nutzer*innen gewandelt?
Seriös auf einen Punkt bringen lässt sich das wenige Monate nach dem Neustart noch nicht. Aktuell sehen wir aber schon: Junge Leute bis 25 Jahre gehen wieder häufiger und ungehemmter aus, die Altersgruppe 30 plus ist noch etwas verhalten. Grundsätzlich haben wohl alle während der Pandemie ihre Ansprüche gedrosselt: Wer vor der Pandemie drei- bis viermal monatlich Clubs besucht hat, ist jetzt vielleicht auch mit ein bis zwei Partyabenden glücklich – so zumindest meine persönliche Beobachtung im Bekannten- und Freundeskreis.
Manche sagen, in der Dortmunder City sei vor allem in den Abend- und Nachtstunden überhaupt nichts los. Sehen Sie das auch so?
Absolut nicht! Trotz der pandemischen Lage haben wir keinen einzigen Club in Dortmund verloren! Und nächtliches Leben findet seit den Lockdowns auch einfach an öffentlichen Plätzen statt – etwa rund ums Dortmunder U, an der Möllerbrücke, im Westpark oder auf Phoenix West. Dieses unorganisierte, informelle Zusammenkommen dort bedarf jedoch einer Moderation – zum Beispiel durch die DORTMUND GUIDES, die seit Mai 2022 im Einsatz sind, ein Präventions- und Deeskalations-Team für urbane Flächen. Außerdem treiben derzeit viele kreative Köpfe neue Ideen und Club-Gründungen voran.
Andere Städte haben ganze Ausgeh-Viertel, in denen sich Kneipen, Restaurants, Bars, Clubs aneinanderreihen – zum Beispiel das Bermuda-Dreieck in Bochum. In Dortmund ist vieles verstreut. Warum ist das so?
Dortmund hat gerade durch seine verschiedenen Quartiere mit unterschiedlichem Charakter einen echten Standortvorteil! Die City mit dem Brückviertel, Unionviertel, Kreuzviertel, die aufblühende Speicherstraße, dazu auch die Nordstadt mit „Rekorder“ und „Junkyard“. Das sind Standorte, die eine aussichtsreiche Entwicklung zeigen. Der Club STOLLEN134 ist eine vielversprechende Neueröffnung in der City. Wir werden den Fokus aber auch auf die Vororte lenken und dort dezentral Projekte anschieben, denn auch weiter draußen braucht es mehr und gute Angebote.
Was kann die Stadt und können speziell Sie als Nachtbeauftragter für eine lebendige Nachtszene tun?
Akteur*innen aus der Szene kommen mit neuen, kreativen Ideen und Konzepten auf uns zu. Als Nachtbeauftragter leiste ich dann beratende Unterstützung bei neuen Projekten – sowohl als Sprachrohr der Verwaltung in Richtung Clubs/Akteur*innen wie auch umgekehrt. Städtisches Nachtleben ist ein wichtiger Faktor für Wirtschaft, Kultur und Tourismus. Der Oberbürgermeister und die Verwaltungsspitze gehen diesen Weg auf vielen Ebenen mit. Dazu gehört unter anderem auch das wichtige Förderprogramm „Neue Stärke“, von der auch die Clubszene profitiert.
Was haben Sie seit Beginn Ihrer Arbeit schon erreicht und welche Ziele haben Sie sich als Nächstes vorgenommen?
Meine Arbeit – in einem tollen Team mit vielen kreativen Kolleg*innen – war zu Beginn stark von der Pandemie geprägt: Clubs während der Lockdowns beraten und unterstützen, Mediator sein zwischen Ordnungsamt, Gesundheitsamt etc. und den Clubs, etwa in puncto Hygienekonzepte oder Testzentren. Derzeit arbeite ich vor allem an zwei großen Projekten: Zum einen sind das die schon erwähnten DORTMUND GUIDES. Zum anderen haben wir die „STADT NACH ACHT“-Konferenz, die größte Nachtleben-Konferenz Europas, die gerade erst im September in Dortmund stattfand, organisiert. Dort ist so manch neue Inspiration aufgeworfen worden, die wir in Dortmund jetzt genauer beleuchten wollen. Unser Ziel ist es, nachhaltige Strukturen für die Zukunft von Clubs und Kulturorten zu schaffen.
Weitere Infos zu den DORTMUND GUIDES unter: www.dortmund-guides.de
Weitere Infos zur "STADT NACH ACHT"-Konferenz unter: 2022.stadt-nach-acht.de