Baustellen: Viele Interessen machen Management zum Puzzlespiel

Mareike Trentz ist im Tiefbauamt verantwortlich für die Planung und den Bau von Straßeninfrastrukturmaßnahmen.
© Stephan Schütze
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Der Bereich des Pylons an der Haltestelle Reinoldikirche. Die C&A-Immobilie am Brüderweg. Der ehemalige Sitz der Mayerschen am Platz von Netanya. Das Gebäude der früheren Conrad-Filiale an der westlichen Kampstraße. Und die Immobilie, die jahrzehntelang das Musikhaus Jellinghaus beherbergt hat. All diese City-Spots haben etwas gemeinsam: Sie alle sind Baustellen oder stehen kurzfristig als solche an. Und Baustellen sind lästig. Lärmig, staubig, oft im Weg. Doch die Baustellen in der City zeigen gleichzeitig: Hier wird in die Zukunft investiert!

Das gilt nicht nur für Immobilien, sondern auch für Straßen und Plätze. Auf deren Baustellen tut sich oft mehr, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Dass unter dem schönen Pflaster schnelle Glasfaserleitungen, ein neuer, größerer Abwasserkanal oder klimafreundliche Fernwärmeleitungen liegen, ist am Ende zwar unsichtbar. Für die Modernisierung und den Ausbau einer zukunftsfähigen, klimaangepassten und sicheren Infrastruktur aber sind solche Maßnahmen dringend notwendig.

Mareike Trentz ist im Tiefbauamt verantwortlich für die Planung und den Bau von Straßeninfrastruktur-Maßnahmen. Sie kümmert sich dabei neben diversen anderen Aufgaben um das Baustellenmanagement größerer Straßenprojekte mit vielen Beteiligten.

Generell unterhält das Tiefbauamt rund 2.060 Kilometer Straßen, Fußwege, Plätze und Boulevards. Ebenso gehören alle Straßenbäume inklusive Straßenbegleitgrün dazu. Auch rund 670 Kilometer Radwege, 390 Brücken sowie diverse ÖPNV-Anlagen, Ampeln, Ladepunkte für Elektrofahrzeuge, Markierungen und Beschilderungen sind zu betreuen. Viel Arbeit also für das Tiefbauamt, mit vielen Schnittstellen. Wie managt man eine komplexe Baustelle? Wie sorgt man für den reibungslosen, möglichst geräuschlosen Ablauf? Im Interview gibt Mareike Trentz Einblicke ins Baustellenmanagement und die besonderen Herausforderungen der City-Projekte wie etwa der Kampstraße.

Frau Trentz, Baustellenmanagement – bedeutet das eigentlich mehr Arbeit im Vorfeld oder während einer Baumaßnahme?

Wir haben natürlich schon im Vorfeld ein hohes Arbeitsaufkommen. Denn Baumaßnahmen müssen planerisch durchdacht und alle Beteiligten frühzeitig einbezogen sein. Das bedeutet: viel reden, Pläne entwickeln, übereinanderlegen, Beteiligte zusammenführen und zusammenhalten. Aber auch während der Umsetzung bleibt der Arbeitsaufwand hoch. Regelmäßige Baubesprechungen mit allen Beteiligten helfen, die Abläufe stetig zu optimieren, an unerwartete Herausforderungen anzupassen und pragmatische Lösungen für konkrete Probleme zu finden. Von außen mag es manchmal so aussehen, als würden die Baubeteiligten auf der Baustelle nur herumstehen – das ist ein Trugschluss! Gerade das Gespräch vor Ort fördert den Baufortschritt und sorgt häufig für unbürokratische Lösungen.

Bauabläufe können sich trotz sorgfältiger Planung dynamisch entwickeln. Daher ist ein gutes Miteinander wichtig. Wir nehmen auch immer – so gut es eben geht – Rücksicht auf die Anlieger*innen und ermöglichen den durchgängigen Zugang zu Gebäuden und Zufahrten. Ist das einmal kurzzeitig nicht möglich, finden wir gemeinsam Lösungen.

Ist eine City-Baustelle eine besondere Baustelle?

In gewisser Weise schon. Denn insbesondere in der City gibt es regelmäßig Veranstaltungen. Die wollen wir möglichst nicht behindern. Für Großveranstaltungen wie die Weihnachtsstadt oder die EM sorgen wir für verträgliche Unterbrechungen unserer Arbeiten und bauen Baustellen, so weit wie es geht und erforderlich ist, zurück. Sind Beeinträchtigungen nicht vermeidbar, gehen wir ins direkte Gespräch mit dem Veranstaltungsmanagement und den Veranstalter*innen, um gangbare Lösungen für alle zu finden.
 

Und natürlich haben viele, auch die politischen Gremien, ein besonders großes Interesse an den City-Projekten. Nehmen wir die Kampstraße als Beispiel: Vier der fünf in der Vergangenheit politisch beschlossenen Bauabschnitte sind fertiggestellt oder befinden sich in der Umsetzung. Die ursprünglichen Pläne für den letzten Bauabschnitt – das zentrale Kernstück – sind für viele Bürger*innen jedoch nicht mehr zeitgemäß, daher wurde zwischenzeitlich sehr kontrovers über sie diskutiert. Was beziehungsweise welche der vielfältigen Wünsche jedoch konkret in die Umsetzung kommen sollen, befindet sich weiterhin in der Klärung.

Baustellen, so scheint es, bleiben oft länger als ursprünglich geplant, auch in der City. Woran liegt das?

Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Die Witterung ist häufiger ein Problem. Vor allem zu hohe oder zu niedrige Temperaturen und Regen bringen unsere Zeitpläne durcheinander. Nicht immer können die Baufirmen ausreichend flexibel reagieren, zum Beispiel weil Personalkapazitäten anders eingeplant waren, als sie dann tatsächlich benötigt werden. Schließlich haben die Firmen nicht nur eine Baumaßnahme zu betreuen und sind teilweise auf eigene Expert*innen für bestimmte Arbeiten angewiesen. Denn nicht jede*r Mitarbeiter*in kann pflastern und ist gleichzeitig in der Lage, Asphalt sachgerecht einzubauen. Auch Lieferengpässe kann es geben.

Dann gibt es im Untergrund oft unerwartete Probleme wie falsch verlegte oder nicht kartierte Leitungen, alte Keller und Schachtbauwerke, die erst bei den Bauarbeiten sichtbar werden. Findet sich bei störenden Leitungen kein*e „Besitzer*in“, werden die Kabel getrennt – in der Hoffnung, dass dies nicht zu Ausfällen führt. Bei der Neugestaltung der Kampstraße in Höhe der Haltestelle Reinoldikirche waren es die Bauarbeiten selbst, die unerwartet unerwünschte Auswirkungen auf das unterirdische Stadtbahnbauwerk erzeugt und so Verzögerungen verursacht haben. Insgesamt haben wir es mit vielen Abhängigkeiten zu tun.

Zum Beispiel mit DEW21, DONETZ, der Stadtentwässerung und Telekommunikationsunternehmen sind wir im ständigen Austausch zu Strom, Wasser, Gas, Fernwärme, dem Kanalbau oder neuen Telefon-, Internet- oder TV-Kabelprojekten. Wir versuchen im Vorfeld von Straßenbauprojekten in die Zukunft zu schauen. Wir klären: Wer plant welche Vorhaben in welchem Zeitraum? Dann holen wir möglichst alle mit ins Boot, damit eine frisch gemachte Straße nicht nach kurzer Zeit wieder aufgebrochen und gesperrt werden muss.

 

Gerade in der City befördern Baustellen auch häufig Zeugnisse der Stadtgeschichte zu Tage. Bringt auch das die Planung durcheinander?

Insbesondere in der City muss man immer mit archäologischen Funden rechnen, das planen wir auch gleich auf der Zeitachse mit ein. Aber dass wir heute noch rund 250 Skelette an der Petrikirche finden würden, war schon eine Überraschung für mich. Schließlich gab es bereits in der Vergangenheit umfassende Baumaßnahmen in diesem Bereich. Die Denkmalbehörde sorgt bei Funden dafür, dass alles korrekt dokumentiert und in manchen Fällen geborgen wird. Nicht selten gibt es auch Kampfmittelverdachtspunkte, die im Vorfeld sondiert werden. Manchmal stößt man jedoch erst während des Baus zufällig auf Kampfmittel, die nirgendwo verzeichnet waren.

Werden auch externe Projektsteuerer beauftragt?

Ja, denn das Tiefbauamt ist für viel mehr Baustellen zuständig, als wir mit unseren eigenen Planenden und Bauleitungen betreuen können. Daher setzen wir auch auf externe Planungsbüros und Projektsteuerer. Wie beispielsweise an der Strobelallee, wo mit Borussia Dortmund, den Westfalenhallen, der Eissporthalle, der Helmut-Körnig-Halle und der TSC Eintracht sowie weiteren Beteiligten im Zuge von Planung und Bau zudem noch viele Stakeholder vor Ort zu begleiten sind. Mit dem Einsatz externer Büros verringert sich unser Aufwand, aber sehr viele Aufgaben liegen trotzdem bei uns als Bauherrin.

Greift das Baustellenmanagement der Stadt auch ein, wenn es um nicht-städtische Baustellen geht?

Hier müssen wir grundsätzlich unterscheiden zwischen dem Baustellenmanagement für ein konkretes Vorhaben und der Baustellenkoordination für die unterschiedlichen Bauvorhaben, auch von anderen, in der Stadt. Während wir im Bereich Verkehrswege einzelne Straßenbauvorhaben umsetzen und uns dabei mit Dritten abstimmen, liegt die Baustellenkoordination im Bereich der Straßenverkehrsbehörde im Tiefbauamt. Dort laufen alle im Straßenraum geplanten Baumaßnahmen auf, insbesondere um sicherzustellen, dass sich die Projekte nicht zu stark gegenseitig behindern oder zu ungewollten Verkehrseinschränkungen führen. Unbekannte Baumaßnahmen von Dritten machen jedoch auch meinen Job manchmal ein bisschen unberechenbar. Insbesondere Hochbaumaßnahmen kommen für uns häufiger überraschend. Ein Beispiel ist der Platz von Netanya an der Kampstraße.

Warum?

Unsere Ausschreibung war gerade raus, da erfuhren wir, dass das Gebäude, in dem Esprit und die Mayersche Buchhandlung ihren Sitz hatten, umgebaut wird – inklusive Erneuerung der Fassade. Für die Abwicklung dieser Hochbaumaßnahme ist daher ein größerer Arbeitsraum erforderlich. Platz, der uns für unsere Straßenbaumaßnahme fehlt. Damit mussten und müssen wir bei der Bauablaufplanung umgehen und Lösungen finden. Fertig ist daher zurzeit bereits der neue Spielpunkt mit Trampolinen und Lümmel-Bänken. Auch das in weiten Teilen verlegte helle Pflaster macht einen großen Unterschied, und die Kinder genießen schon jetzt die neue Spielfläche. Zum Herbst folgen noch neue Baumpflanzungen, während ein Gesamtabschluss der Maßnahme weiter vom Hochbau abhängt.

Warum hat die Stadt hier sozusagen zurückgesteckt, obwohl ihre Planung zuerst vorlag?

Ein leerstehendes Gebäude in derart prominenter Lage ist niemals gut für eine Innenstadt. Die Stadt hat folglich ein großes Interesse daran, dass die Immobilie belebt wird. Es ist eben nicht nur wichtig, einen attraktiven Straßenraum sicherzustellen, sondern es braucht auch eine gut besuchte und belebte Innenstadt, um Dortmund attraktiv zu gestalten. Deswegen gehen wir, wo möglich, regelmäßig Kompromisse ein, damit alle Projekte – eigene und die Vorhaben Dritter – unterm Strich in gleichem Maße vorwärts kommen. Letztendlich ist es genau das, was ich an meinem Job liebe: Projekte in die Umsetzung zu bringen, zusammen mit allen, die zu beteiligen oder zu berücksichtigen sind. Gemeinsam Lösungen für Herausforderungen zu finden und dabei kreative Denkansätze zu verfolgen.

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