Das alte Gesundheitsamt – Ikone der Moderne

Einst die „farbenfrohste Behörde Dortmunds“, bald ein Gebäude mit Hotel, Kita, Wohnen und Büros
© Christian Schön
Teilen Sie diesen Beitrag

Unzählige kleine Kinderfüße sind in den vergangenen sieben Jahrzehnten über den bunten Terrazzoboden mit seinen geometrischen Formen getrippelt, sind die sich schneckenförmig nach oben windende Treppe hinaufgestiegen und haben dabei durch die mit bunten Glasbausteinen durchsetzten Fenster nach draußen geblickt. Doch das alte Gesundheitsamt an der Hövelstraße kennen Generationen von Dortmunder*innen nicht nur aus Kindheitstagen. Die besondere Architektur und das einmalige Farbkonzept des zwischen 1956 und 1961 errichteten Gebäudes haben Dortmunds wohl farbenfrohste Behörde unverwechselbar gemacht.

Zu finden waren hier ursprünglich Einrichtungen von der Mütterberatung über eine Schulzahnklinik und einen Bereich für Tuberkuloseuntersuchungen bis hin zur chemischen Untersuchungsanstalt und zum Hygieneinstitut. Dazu kamen unzählige Untersuchungs- und Laborräume, Wartebereiche, Büros und Hörsäle. Seit 2020 wird das markante, seit 1993 unter Denkmalschutz stehende Gebäude unter den wachsamen Augen von Denkmalpfleger Michael Holtkötter saniert. „Obwohl ich weder Besitzer noch Eigentümer bin, habe ich immer gesagt: Das ist mein Denkmal!“, sagt Holtkötter. „Denkmalpfleger sind in erster Linie Menschen, die mit Herzblut ihrer Arbeit nachgehen. Ich kenne hier jede Ecke und passe bei der Sanierung auf, dass alles so läuft, wie ich mir das vorstelle. Mit diesem Objekt betraut zu sein, empfinde ich als Geschenk.“

 

Besonders freut ihn, dass das alte Gesundheitsamt wieder eine multifunktionale Nutzung erhält. Ein Hotel und eine Kita entstehen, darüber Büroräume sowie Wohnungen. Aus den ehemaligen Hörsälen werden zwei Appartements. „Es ist zunächst schwer vorstellbar, aber es funktioniert – sogar denkmalverträglich und hochattraktiv“, betont Holtkötter. Der ursprüngliche Charakter des Baus von Dortmunds bekanntestem Architekten der Nachkriegszeit, Will Schwarz, wird nicht verloren gehen.

 

Jede Etage eine eigene Farbwelt

Schwarz, der auch den Florianturm und das Parkcafé im Westfalenpark plante, erschuf an der Hövelstraße ein Haus für die Gesundheit, das Lebensfreude vermittelte. Die gesamte Gestaltung sollte einen positiven Effekt auf die Psyche haben: Das Gesundheitsamt wurde hell und transparent gestaltet, mit großen Fensterflächen. Denn Schwarz war überzeugt, dass der Blick nach draußen gesund hält. Jede der sieben Etagen gab Schwarz zudem eine eigene Farbwelt. „Das alte Farbleitsystem ist bei früheren Renovierungen übertüncht worden. Jetzt wird es wiederhergestellt, denn für die Hotelnutzung ist es ebenfalls ideal“, berichtet Denkmalpfleger Holtkötter.

 

Auch die Kunstwerke an der Nordwand jedes Stockwerks bleiben erhalten. Sie waren ursprünglich genau gegenüber dem ehemaligen offenen Paternoster platziert. „Ein Clou des Architekten: Die Besucher*innen hatten auf diese Weise das Gefühl, durch eine Kunstausstellung zu fahren“, berichtet Holtkötter. Während der Paternoster als Fahrstuhl heute nicht mehr zulässig ist, bleiben viele weitere Details erhalten: die originalen Holztüren etwa, die Stahlfenster, Treppengeländer und Holzvertäfelungen.

Dass das alte Gesundheitshaus mit so viel Liebe zum Detail saniert wird, ist der Investorin Landmarken AG zu verdanken. Sie betreut mit dem Gesundheitshaus, dem Gründungszentrum Hafenforum und dem Büroneubau Diamond Offices nahe dem Dortmunder U derzeit drei Projekte in Dortmund. Firmengründer Norbert Hermanns, der Ende 2021 aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat wechselte, liegt das Gesundheitshaus am Herzen: „Das ist so ein Lieblingsprojekt, bei dem wir anfangs die hohe Qualität des Originalbaus kaum fassen konnten. Eine bundesweit einmalige Stilikone der 1950er-Jahre-Architektur. Das wird bald wieder eine Adresse, die identitätsstiftend ist und hohen Wiedererkennungswert besitzt. Die Transformation solcher Gebäude ist anspruchsvoll, im besten Sinne nachhaltig und unsere Spezialität. Wir werden das Gebäude langfristig im Bestand halten und dementsprechend selbst die Vermietung der verschiedenen Gebäudeteile in die Hand nehmen.“

 

Hotelbetrieb ab 2023: Übernachten in ehemaligen Verwaltungsbüros

Der Teil, in den das Hotel der Marke „Prizotel“ einzieht, wird 2023 fertig sein. Dann stehen Hotelgästen 155 Zimmer im Design der 50er-Jahre zur Verfügung – in den ehemaligen Büros des Gesundheitsamts. Weil die Grundrisse der Räume und Flure so bleiben sollten, wie sie sind, werden Toilette und Dusche in den Zimmern getrennt voneinander, rechts und links der Eingangstüren zu finden sein. Mit einigen Veränderungen muss Denkmalpfleger Michael Holtkötter aber doch leben: Der Linoleumboden der Flure etwa muss wegen des Lärms der Rollkoffer einem Teppich weichen. Die geplante Kita wird im Südteil des Gebäudes am Eisenmarkt zu finden sein – in der früheren Mütterberatungsstelle. Ein praktisches Detail aus der Schwarzschen Konzeption bleibt dafür gleich bestehen: der Kinderwagen-Raum.

„Denkmäler müssen genutzt werden – das alte Gesundheitsamt ist dafür ein Beispiel par excellence“, ist Holtkötter überzeugt. „Ich arbeite hier mit einem Team, das meine Gedanken – die manchmal aufgrund meiner ganz besonderen Perspektive vielleicht verschroben erscheinen – nachvollziehen kann. Am Ende werden wir ein Ergebnis haben, über das sich die Bürgerinnen und Bürger freuen und die Fachwelt hinschaut und denkt: Meine Güte – dass das funktioniert hat!“

Wer sich näher für Denkmale der 1950er Jahre in Dortmund und Umgebung interessiert, findet eine aktuelle Ausstellung im Baukunstarchiv NRW.

Zur Projektseite bei Landmarken

Zur Denkmalbehörde

 

 

© Stephan Schütze
© Stephan Schütze
© Stephan Schütze
© Stephan Schütze
© Christian Schön
%_content%
%_content%
%title%
%content%