OB-Interview: „Mit Druck allein werden wir die Probleme nicht lösen“

Thomas Westphal zum Umgang mit Drogenkonsum und Obdachlosigkeit
© Roland Gorecki
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Seit September kümmert sich ein Sonderstab des Oberbürgermeisters mit Beteiligung der Polizei um die Probleme, die sich durch das Rauschgift Crack nicht nur in Dortmunds Innenstadt zugespitzt hatten. Mit Thomas Westphal blickt „aufbruch city“ auf die Arbeit des Sonderstabs und auf die Wege, die Stadt und Polizei gemeinsam gehen, damit das Herz der Stadt nicht aus dem Takt gerät und Suchtkranke noch mehr Hilfe bekommen.

Herr Westphal, was war der Ausgangspunkt dafür, dass Sie einen Sonderstab ins Leben gerufen haben?

Wir haben im vergangenen Jahr erlebt, dass sich das Drogenproblem verschärft hat, das Betteln hat zugenommen und das Campieren im öffentlichen Raum hat sich zugespitzt. Und das nicht nur in Dortmund. Wir haben hier bei uns ein gutes und effizientes Hilfesystem. Das hat sich sehr bewährt. Doch dann kam zuerst Corona und schließlich die Droge Crack. Das hat alles verändert. Die Beschwerden aus der Stadtgesellschaft nahmen stark zu. Da mussten wir handeln.

Welche Probleme bringt Crack mit sich?

Crackkonsum führt schnell zur Verelendung der Menschen und zum Absturz. Die Droge ist eine rauchbare Form von Kokain. Sie ist billig, wirkt innerhalb weniger Sekunden und macht so schnell psychisch abhängig wie kaum eine andere Droge. Sie zerstört Körper und Psyche auf heimtückische Weise – wer sie konsumiert, gerät fast schicksalhaft in eine Abwärtsspirale. Die Menschen verändern sich rapide, werden aggressiv, auch in der Öffentlichkeit. Dabei ist der Rausch immer nur von kurzer Dauer. Schon nach einer Viertelstunde etwa verlangt die Sucht die nächste Dosis. Wir können nicht hinnehmen, dass immer mehr Menschen dieser Droge verfallen. Deswegen stärken wir die Prävention und kümmern uns um die Suchtkranken. Gleichzeitig dürfen wir ihnen nicht den öffentlichen Raum überlassen und damit riskieren, dass sich andere Menschen nicht mehr sicher fühlen.

Deshalb haben Sie das Thema zur Chefsache erklärt. Wie gehen Sie es an?

Von möglichst vielen Seiten, weil es komplex ist. Das Thema ist mir so wichtig, dass ich im September zusammen mit Polizeipräsident Gregor Lange einen Sonderstab eingerichtet habe, der mir direkt unterstellt ist. Der „Sonderstab Ordnung und Stadtleben“ arbeitet seitdem intensiv an den Problemlagen und entwickelt Maßnahmen und Lösungsansätze. Wir sind darin als Stadt mit mehreren Fachämtern vertreten, gemeinsam mit der Polizei. Gregor Lange ist dabei ebenfalls sehr engagiert und dafür bin ich wirklich dankbar.

Wie geht der Sonderstab vor?

Der Stab besteht aus vier Arbeitsgruppen, die sich jeweils auf verschiedene Probleme unter vier Überschriften konzentrieren: Belästigung bekämpfen, Campieren reduzieren, Stadtraum verschönern, Suchthilfe und Suchtprävention. Viele Maßnahmen konnten wir zügig einleiten, für andere brauchten wir etwas mehr Zeit.

Welche Sofortmaßnahmen haben Sie an den Start gebracht?

Wir haben die Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums spürbar ausgedehnt und die Suchtkranken müssen derzeit nicht mehr nachweisen, dass sie in Dortmund wohnen. Außerdem haben wir für den Drogenkonsumraum ein Umfeldmanagement eingeführt und die Anzahl der Streetworker aufgestockt. Die Einsätze des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) haben wir ebenfalls erheblich erweitert. Zusätzlich gibt es einen Sicherheitsdienst, der in der City vor allem im Stadtgarten unterwegs ist. Noch mehr hat die Polizei den Druck und ihre Präsenz in der City ausgebaut: zusätzliches Personal, strategische Fahndung, Videobeobachtung. All das zeigt inzwischen deutlich Wirkung. Wichtig ist, dass wir nicht nachlassen, sondern dranbleiben, und das wollen wir auch tun. Parallel haben wir viele kleinere Maßnahmen angestoßen, mit denen wir den Stadtraum reparieren, aufräumen und verschönern wollen, und ein Programm zur Belebung aufgelegt – zum Beispiel wird der Stadtgarten durch das Theater und Aktionen des Jugendamtes bespielt. Denn da, wo man sich gerne aufhält, entsteht auch soziale Kontrolle.

An welchen Lösungen arbeiten Sie noch?

Im Februar haben wir mit dem Sonderstab dem Rat ein ganzes Bündel an weiteren Maßnahmen vorschlagen, eingebettet in ein zusammenhängendes Konzept. Das hat der Rat mehrheitlich beschlossen und nun arbeiten wir es konsequent ab. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Wir werden aber auch an weiteren Lösungen arbeiten und schärfen an der ein oder anderen Stelle gegebenenfalls nach. Dazu stehen wir im engen und stetigen Austausch mit anderen Städten und Expert*innen. Mit den Suchtkranken und den Obdachlosen selbst sind wir übrigens auch im Gespräch. Und neue Entwicklungen wie das stark wirksame synthetische Opioid Fentanyl, das in den USA auf dem Vormarsch ist und teilweise auch Heroin beigemischt wird, behalten wir auch im Blick.

Welche Maßnahmen, die Sie auf den Weg gebracht haben, sind die wichtigsten?

Wir wollen die Infrastrukturen unserer Suchthilfe weiterentwickeln. Mehrere Elemente haben wir bereits erarbeitet, die sich gegenseitig beeinflussen. Der erste Schritt ist: Wir wollen zwei weitere Drogenkonsumorte einrichten, um den jetzigen Standort zu entlasten. Dabei geht es auch darum, die unterschiedlichen Drogenszenen möglichst voneinander zu trennen. Für den derzeitigen Drogenkonsumraum brauchen wir einen neuen Ort, denn es hat sich gezeigt, dass die jetzige Situation nicht haltbar ist. Klar ist aber: Auch der neue Standort muss innenstadtnah sein.

Wie ist Ihr Zeitplan für die neuen Angebote?

So schnell wie möglich, aber auch mit der gebotenen Sorgfalt. Und das meine ich beides auch genau so. Konkreter ist das schlichtweg nicht zu fassen. Denn die Bedingungen, die die Standorte erfüllen müssen, sind anspruchsvoll. Das wird sicher eine herausfordernde Suche, aber kein unlösbares Problem. Wir wollen auch nichts gegen die Menschen im Umfeld einfach durchsetzen, sondern sie mitnehmen auf diesem Weg. Wenn wir Vorschläge haben, legen wir sie dem Rat zur Entscheidung vor.

Haben Sie auch etwas geplant, mit dem Sie die Obdachlosigkeit angehen wollen?

Ja, wir wollen neue, einfache, dezentrale und kleinteilige Übernachtungsangebote schaffen. Das entwickeln wir gerade. Denn wir wollen den öffentlichen Raum nicht für Fehlnutzungen wie das Übernachten freigeben, aber wir wollen eben auch weitere Alternativen zur Verfügung stellen, die Menschen nicht einfach vertreiben. Wir wollen konkrete Hilfen, denn mit Druck allein werden wir Probleme nicht lösen können.

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