Wer an der Kreuzung Neutor steht, sieht es sofort: das markante und trotzdem filigran wirkende, rot geklinkerte Hochhaus. Ob Fahrzeugpapiere erneuern, Wohngeld beantragen oder Reisepass abholen – im Stadthaus kann man viele Angelegenheiten erledigen. Das elfstöckige Gebäude und sein kleiner Bruder entlang der Kleppingstraße wurden 1954 als das Neue Stadthaus eingeweiht. Sie begehen in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag.
Der Bau stand seinerzeit symbolisch für den Wunsch Dortmunds, die City großzügig und neu zu entwerfen, nachdem im Zweiten Weltkrieg vieles zerstört worden war. Es sollte ein Aufbruch in eine blühende Zukunft sein, als moderne Großstadt mit einer fortschrittlichen Verwaltung. Das Neue Stadthaus ist dabei nur ein Teil des Gebäudekomplexes. Dieser besteht heute aus insgesamt acht aneinandergereihten und miteinander verbundenen Gebäudeteilen, inklusive der Berswordthalle, die nach und nach in unterschiedlichen Jahrzehnten entstanden.
Der älteste Teil, das Alte Stadthaus am Friedensplatz, in dem heute fast jeden Tag Ehen geschlossen werden, stammt aus dem Jahr 1899. In diesem Teil hat auch Beate Kunstmann ihr Büro. Sie ist seit vielen Jahren bei der Stadt Dortmund im Gebäudemanagement tätig und kümmert sich um die Immobilie. Sie kennt das Haus und seine Geschichte in- und auswendig. „Als junge Berufsanfängerin wollte ich eigentlich niemals im Stadthaus arbeiten. Das erschien mir damals viel zu hochherrschaftlich“, erinnert sie sich. „Heute bin ich froh, hier zu ‚wohnen‘, in einem so geschichtsträchtigen Haus.“ Ihr Platz ist in der ehemaligen Verwaltungsbibliothek, in der man früher Gesetze und Verordnungen einsehen und ausleihen konnte. Beate Kunstmann freut sich über den Geburtstag und kann sich gut daran erinnern, dass das Stadthaus in den 1990er-Jahren sogar einige Male als Filmkulisse diente. Gedreht wurden Szenen für die Serie „Balko“ oder den Film „Schnapper“ mit Horst Krause.
Altes Stadthaus orientiert sich an mittelalterlichem Rathaus
Das Alte Stadthaus im Stile des Historismus entstand nach einem Entwurf von Stadtbaurat Friedrich Kullrich. Er gilt als einer der bedeutendsten Stadtbaumeister Dortmunds. Kullrich orientierte sich bei der Gestaltung des Alten Stadthauses an Formen des mittelalterlichen Rathauses, das bis zum Kriegsende am Alten Markt stand. Mit der fortschreitenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert wuchs Dortmunds Wirtschaft und mit ihr die Zahl der Einwohner*innen. Das ließ auch die Kommunalverwaltung immer größer werden. Und so entstand im Laufe der Jahrzehnte im Straßenraum zwischen Beten-, Kleppingstraße und Olpe und Friedensplatz der Komplex aus acht Gebäuden.