Das Neue Stadthaus feiert 70. Geburtstag

Denkmal der modernen Architektur der 1950er-Jahre im historisch gewachsenen Komplex
Die gläserne Berswordt-Halle (Bj. 2002) verbindet das Alte Stadthaus von 1899 mit dem Neuen Stadthaus (Bj. 1954).
© Stephan Schütze
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Wer an der Kreuzung Neutor steht, sieht es sofort: das markante und trotzdem filigran wirkende, rot geklinkerte Hochhaus. Ob Fahrzeugpapiere erneuern, Wohngeld beantragen oder Reisepass abholen – im Stadthaus kann man viele Angelegenheiten erledigen. Das elfstöckige Gebäude und sein kleiner Bruder entlang der Kleppingstraße wurden 1954 als das Neue Stadthaus eingeweiht. Sie begehen in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag.

Der Bau stand seinerzeit symbolisch für den Wunsch Dortmunds, die City großzügig und neu zu entwerfen, nachdem im Zweiten Weltkrieg vieles zerstört worden war. Es sollte ein Aufbruch in eine blühende Zukunft sein, als moderne Großstadt mit einer fortschrittlichen Verwaltung. Das Neue Stadthaus ist dabei nur ein Teil des Gebäudekomplexes. Dieser besteht heute aus insgesamt acht aneinandergereihten und miteinander verbundenen Gebäudeteilen, inklusive der Berswordthalle, die nach und nach in unterschiedlichen Jahrzehnten entstanden.

Der älteste Teil, das Alte Stadthaus am Friedensplatz, in dem heute fast jeden Tag Ehen geschlossen werden, stammt aus dem Jahr 1899. In diesem Teil hat auch Beate Kunstmann ihr Büro. Sie ist seit vielen Jahren bei der Stadt Dortmund im Gebäudemanagement tätig und kümmert sich um die Immobilie. Sie kennt das Haus und seine Geschichte in- und auswendig. „Als junge Berufsanfängerin wollte ich eigentlich niemals im Stadthaus arbeiten. Das erschien mir damals viel zu hochherrschaftlich“, erinnert sie sich. „Heute bin ich froh, hier zu ‚wohnen‘, in einem so geschichtsträchtigen Haus.“ Ihr Platz ist in der ehemaligen Verwaltungsbibliothek, in der man früher Gesetze und Verordnungen einsehen und ausleihen konnte. Beate Kunstmann freut sich über den Geburtstag und kann sich gut daran erinnern, dass das Stadthaus in den 1990er-Jahren sogar einige Male als Filmkulisse diente. Gedreht wurden Szenen für die Serie „Balko“ oder den Film „Schnapper“ mit Horst Krause.

Altes Stadthaus orientiert sich an mittelalterlichem Rathaus

Das Alte Stadthaus im Stile des Historismus entstand nach einem Entwurf von Stadtbaurat Friedrich Kullrich. Er gilt als einer der bedeutendsten Stadtbaumeister Dortmunds. Kullrich orientierte sich bei der Gestaltung des Alten Stadthauses an Formen des mittelalterlichen Rathauses, das bis zum Kriegsende am Alten Markt stand. Mit der fortschreitenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert wuchs Dortmunds Wirtschaft und mit ihr die Zahl der Einwohner*innen. Das ließ auch die Kommunalverwaltung immer größer werden. Und so entstand im Laufe der Jahrzehnte im Straßenraum zwischen Beten-, Kleppingstraße und Olpe und Friedensplatz der Komplex aus acht Gebäuden.

 

Seit 1996 steht das Neue Stadthaus unter Denkmalschutz. Ein Jahr danach beschloss der Rat der Stadt den Umbau und die Renovierung des gesamten Stadthaus-Komplexes. Das äußere Erscheinungsbild blieb dabei weitgehend erhalten. Neu ins Bild kam 2002 die Berswordthalle. Sie verbindet das Alte mit dem Neuen Stadthaus, beherbergt Gastronomie und frisch umgebaute Ladenlokale. Die Halle wird regelmäßig für Ausstellungen genutzt. Der Name Berswordt stammt übrigens von einer der ältesten Familien der Führungsschicht im mittelalterlichen Dortmund.

Portal an der Kleppingstraße zeigt Facetten Dortmunds

Ein besonderes architektonisches Detail des Neuen Stadthauses ist ein großes Tor an der Kleppingstraße, durch das man in den Innenhof gelangen konnte. Das Portal besteht aus mehreren unregelmäßigen Edelstahlblechen, die miteinander vernietet und mit Reliefs verziert sind. In der Mitte oben ist eine Eule zu sehen, die den Rat und die Verwaltung der Stadt symbolisieren soll. Der Adler, das Wappentier der Stadt, ist unten angebracht. Die übrigen Reliefs zeigen die damals bedeutenden, vor allem wirtschaftlichen Facetten Dortmunds: Bergbau, Maschinenbau, Eisenverhüttung, Bierbrauerei, eine Schmiede, den Verkehr und das Vermessungswesen. Ähnliche Motive finden sich auch auf der kunstvollen Bleiverglasung im Erdgeschoss des Gebäudes am Südwall. Der ehemals am Haupteingang Südwall positionierte, in Granit gemeißelte Dortmunder Schutzpatron St. Reinoldus fand am Durchgang von der Berswordthalle zur Kleppingstraße ein neues Zuhause.

Zur Anschauung erhalten sind auch alte Auskunfts- und Pförtnerlogen sowie Teile eines alten Paternosters (Personen-Umlaufaufzug), der im Gebäude an der Olpe in Betrieb war. Auch im Hochhaus am Südwall gab es zwei. Manche Dortmunder*innen werden sich vielleicht noch an die etwas holprige Fahrt erinnern. Die permanent umlaufenden Kabinen drehten sich vom Keller bis zum Dach und wieder zurück, ohne anzuhalten – gewöhnungsbedürftig und nicht ganz ungefährlich. „Als die Paternoster noch in Betrieb waren, hatten wir einige unerfreuliche Begebenheiten“, erinnert sich Beate Kunstmann. „Trotz der Hinweisschilder wurde mal ein Kinderwagen in die Kabine geschoben. Bei einem anderen Vorfall wollte jemand mit Leiter Paternoster fahren“, erzählt sie. „Gott sei Dank ist dabei aber niemand zu Schaden gekommen.“ 2006 wurde der Paternoster dann stillgelegt.

Auch nach 70 Jahren Vergangenheit ist das Neue Stadthaus noch für die Zukunft gerüstet. Und die vielen Angestellten der Stadtverwaltung im Gebäude arbeiten jeden Tag für eine gute Zukunft dieser Stadt.

Festakt bei der Grundsteinlegung mit vielen Gästen. © Stadtarchiv Dortmund, 502-35_0230-1-20
© Stephan Schütze
© Stephan Schütze
Grundsteinlegung für das neue Stadthaus. © Stadtarchiv Dortmund, 502-35_0229-7-15
Richtfest für das elfstöckige Gebäude. © Stadtarchiv Dortmund, 502-35_0328-3-15
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